Terrorism – Social Media – Social Change

Die Rolle der Medien in Krisensituationen hat seit den Anschlägen vom 11. September 2001 eine neue Dimension erreicht. Die Berichterstattung lief hier noch über die klassischen Massenmedien, durch deren Filter und Auswahl der Bilder Menschen weltweit von den Geschehnissen in New York erfahren haben. Somit lag die Konstruktion von Wirklichkeit in der Hand einiger (weltweit operierender) Medienunternehmen. Mit dem Aufkommen des so genannten Web 2.0 und der damit entstandenen sozialen Netzwerke wie Facebook und Twitter verlagerte sich die Informationsweitergabe zu terroristischen Ereignissen auch auf andere mediale Kanäle, die nicht von großen Unternehmen gesteuert, sondern häufig individuell, affektiv und partizipativ genutzt werden und somit ebenso Konstruktion konstituieren.

Projektbeginn:
2017
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© 2017-18 Lina Mareike Zopf

In den letzten Jahren erleben wir eine quantitative sowie qualitative Beschleunigung der Entwicklung neuer Medientechnologien, die immer häufiger das Verhältnis zwischen klassischen Massenmedien und sozialen Medien umkehrt: Gerade in Krisensituation greifen erstere zunehmend auf oftmals ungefilterte Informationen, Einordnungen und Metriken sozialer Netzwerke zurück – so war die Berichterstattung des Amoklaufs in München in erheblichem Maße von den wenigen Bildern und Videoaufnahmen, die in den sozialen Medien verbreitet wurden, bestimmt. Eine Studie an der Filmuniversität Babelsberg, die im Studiengang Digitale Medienkultur unter der Leitung von Prof. Dr. Martina Schuegraf zum Zeitpunkt des Anschlags auf den Berliner Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz durchgeführt wurde, zeigt deutlich, dass gerade die Erstinformation unmittelbar nach einem Anschlag oder Amoklauf über soziale Netzwerke stattfindet. Schnelligkeit, Aktualität und die enge Einbindung von Social Media Plattformen im Alltag der Menschen (zuvorderst durch das Smartphone) werden von den interviewten Personen als Gründe für die Erstinformation durch soziale Netzwerke angegeben. In der Forschung bestehen hier große Verständnis- und Erklärungslücken. Nicht nur die Aktualität dieser neuen Entwicklungen spielt hierbei eine Rolle. Es handelt sich zudem um ein Forschungsfeld, das genuin interdisziplinär angelegt werden muss. Bisher beschäftigen sich Studien in der Medienwissenschaft, die sich mit Medien und Terror- bzw. Krisensituationen auseinandersetzen, zumeist mit der Perspektive auf die Repräsentation dieser Ereignisse in den Medien. In der Forschung zu Terrorismus und politischer Gewalt wird vor allem der Terrorismus als Gegenstand und in historischer Dimension, also wie er sich im Laufe der letzten 20 bis 30 Jahre verändert bzw. ausdifferenziert hat, sowie die Reaktion von Staat und Gesellschaft auf diese Veränderungen erforscht. Die Soziologie hat wiederum mediale Dynamiken und die sich daraus ergebenden legitimatorischen Fragen im Blick, verweist aber eine genuine Nutzerperspektive ebenso wie die Fragen politischer Kommunikation auf die Hinterbänke.

Das Forschungsnetzwerk „Terrorism – Social Media – Social Change“ bringt verschiedene Fachdisziplinen aus unterschiedlichen Ländern (bisher Deutschland, England, Türkei) in einen international angelegten Diskurs mit dem Ziel, neue Forschungsfragen für interdisziplinäre Forschungsteams zu entwickeln. Dies ist zur Erklärung der Dynamiken der Omnipräsenz des Risikos terroristischer Ereignisse und damit korrespondierender medialer Diskurse wissenschaftlich sowie politisch genauso virulent wie ein Verständnis der sich daraus ergebenden Konsequenzen.

Mitglieder des Forschungsnetzwerks: 

  • Akil Awan (London)
  • Christopher Daase (Frankfurt am Main)
  • Anna Janssen (Potsdam)
  • Julian Junk (Frankfurt am Main/Berlin)
  • Ben O’Loughlin (London)
  • Rahel Podobsky-Stucki (London)
  • Valentin Rauer (Istanbul)
  • Lina Mareike Zopfs (Potsdam)

Weitere Informationen zum internationalen Forschungsnetzwerk finden sich unter www.imtrn.org (international media and terrorism research network).