Filmuni: Henning, Euer Film läuft heute Abend auf der 69. Berlinale in der Perspektive Deutsches Kino. Gratulation! Wie hat Dich die Nachricht von der Festivalteilnahme erreicht und wie war Deine Reaktion?
Henning: Linda Söffker, die Leiterin der Perspektive, hat mich im November angerufen. Ich habe mich sehr gefreut, da ich in den vergangenen Jahren oft mit anderen Filmen abgelehnt worden bin.
Filmuni: Der Film erzählt von einem Paar im Italienurlaub, kurz vor der Geburt ihres gemeinsamen Kindes. Wie kam Dir die Idee zum Film?
Henning: Ganz am Anfang stand die Faszination für Palermo und der Wunsch in dieser Stadt einen Film zu drehen. Während einer Reise entdeckte ich einen Wallfahrtsort, an dem Pilger Ultraschallbilder, Geburtsurkunden und Schnuller ablegten. Da ich selbst früh Vater geworden bin, interessiert mich die Bedeutung von Familie und ich stellte fest, dass Kinder dort, anders als in Deutschland, fast schon etwas Heiliges sind.
Ich arbeitete an einer Zustandsbeschreibung über ein Paar im „Off-Zustand“, kurz vor der Geburt des gemeinsamen Kindes. Eine provokante, wenn auch pessimistische Sicht als Gegenentwurf zu den vielen Beziehungsfilmen, die dort enden, wo das anstrengende Leben zu zweit beginnt.
Durch die Hauptfigur Judith erzählt der Film von einer Frau, die sich in dem Spannungsverhältnis befindet zwischen ihrem Selbstverständnis in einer Verantwortungsposition zu arbeiten, einem Freund, der sich ein klassisches Familienmodell wünscht und der Verantwortung als Mutter für ein noch fremdes Wesen, das in ihr heranwächst. Sie fühlt sich in eine Rolle gepresst, in der sie nur noch unfrei handeln kann.
Es geht um die Auflösung von konservativen Werten, um das Neudenken von Rollenbildern. Judiths Begegnung mit einer Heiligen, stellvertretend für die Begegnung mit sich selbst. Denn Familie war in religiösen Kontexten immer schon mit traditionellen Werten belegt, die den Menschen einen erfahrbaren Kompass an die Hand gegeben haben. Aber wie lassen sich Familie, Beziehung und Erfolg in der heutigen Zeit miteinander vereinbaren? Passen Kinder überhaupt in die modernen Lebensmodelle? „Off Season“ ist also auch ein Film über Macht und die Kämpfe um diese, über Abhängigkeiten in und von einer Ego-Gesellschaft.