12. TDK "Künstlerische Forschung als das freie Streben nach Fragen (statt Antworten)" mit Victoria Hindley und Zoran Poposki

Datum / Dauer:
12.04.2012
Zeit:
17:00

RÜCKSCHAU AUF DAS 12. TRANSDISZIPLINÄRE KOLLOQUIUM MIT VICTORIA HINDLEY UND ZORAN POPOSKI, 19.04.2012

„The impressive thing about art research is, that it completely defies being nailed down. That is its great strength!“ (Zoran Poposki)

Am 12. April 2012 fand in der HFF das 12. Transdisziplinäre Kolloquium mit Victoria Hindley und Zoran Poposki statt. Der Titel: „Künstlerische Forschung als das freie Streben nach Fragen (statt Antworten)“

Nachfolgend eine kurze Zusammenfassung des gemeinsamen Vortrags der beiden Künstler. An den Vortrag schloss sich eine lebhafte Diskussion an, die von der Leiterin des IKF - Prof. Marlis Roth - moderiert wurde. Die Diskussion umkreiste Fragen nach der Teilnahme (participation) des Publikums und dem Einfluss dieses Teilnehmens auf Entstehung und Gestalt des Werks, wie sich Aspekte von Recherche und Forschung in der fertigen Arbeit manifestieren. Doch diese hier nachzuzeichnen, führte zu weit, deshalb beschränke ich mich auf einen persönlichen Blick auf den Vortrag der beiden.

Wie sich bereits dem Titel des Kolloquiums entnehmen lässt, geht es Hindley und Poposki vor allem um das Aufwerfen von Fragen in ihren künstlerischen Arbeiten, mehr um die Suche, denn die Antwort.

Research – Re – Search – das typografische und sprachliche Spiel mit den Buchstaben des Vortragtitels war die in Stille an die Leinwand projezierte Einleitung zu ihrem Vortrag. Anhand eigener Projekte reflektierten die beiden Theorie und Praxis ihrer künstlerischen Arbeit. Dafür untergliederten sie den Vortrag mit Kapitel-ähnlichen Überschriften wie Recherche, Bedeutung, Form etc.

Zoran Poposki ist ein mazedonischer Künstler, der in Hong Kong lebt, in Skopje lehrt und dessen Arbeiten bereits in 50 Ausstellungen, Screenings und Festivals international vertreten waren. In seinen Performances, Videos und digitalen Drucken untersucht Poposki Themen wie Liminalität, Identität und den öffentlichen Raum.

Als mutig kann man Poposkis Einstieg in den Vortrag bezeichnen, wählte er doch das Projekt "Changing Skopje", das man als „gescheitert“ bezeichnen könnte, da es nie umgesetzt wurde. Zugleich aber fokussierte diese Eröffnung ganz klar auf den Entstehungs- und Forschungsprozess der Arbeiten, der für beide Künstler von zentraler Bedeutung in ihrer künstlerischen Tätigkeit ist.

In Skopje werden – Potsdamern und Berlinerinnen nicht ganz unbekannt – in rasantem Tempo Triumphbögen, Springbrunnen, Museen etc. in historisierenden Formen wieder aufgebaut bzw. aus dem Boden gestampft. Poposki wertet diese Aktivitäten als „einen Versuch, die muslimische Vergangenheit auszulöschen und das Land auf christliche, Europäische und bourgeoise Werte zu fokussieren“. Auf dem zentralen Platz Skopjes wurde ein monumentaler Brunnen mit einem gülden gleißenden Reiterstandbild Alexander des Großen errichtet.

Poposki recherchierte die vollständigen Namen aller bei Facebook ein Profil besitzenden Alexandras aus Mazedonien und wollte diese in einer temporären Installation auf besagten Brunnen projezieren. Mehrfach und immer kurzfristig wurde ihm dafür – auch nach einer Standortänderung – die Erlaubnis entzogen und so wurde dieses Projekt laut Poposki „das erste Kunstprojekt, das im post-sozialistischen Mazedonien aus ideologischen Gründen zensiert wurde“.

Victoria Hindley Hindley arbeitet hauptsächlich mit Fotografie, Sprache, Installationen und der Buchform. Sie stammt aus den USA, lebt derzeit in Wien und lehrt in Berlin und New York am Transart Institute. Im Anschluss an Poposkis "Changing Skopje" stellte Hindley ihr Projekt „She is not in need of labels“ vor: eine Installation in einem Glaskubus in Wien, die sich der Konstruktion von Geschlecht im öffentlichen Raum widmete. Die österreichische Künstlerin Valie Export hatte einen vollständig aus Glas bestehenden Raum unter einer U-Bahnbrücke konzipiert, der im Rahmen des EU-geförderten Stadterneuerungsprojekts „Frauen sichtbar machen“ ausschließlich von Frauen genutzt werden darf. 

Hindley, die sich an diesem Abend selbst als politische Aktivistin, die als Künstlerin arbeitet, beschrieb, wurde eingeladen, für diesen Kubus eine Installation zu entwickeln. Sie zeigte Bilder ihrer Recherchen vor Ort von dem Viertel, in dem dieser Kubus steht. Ein Ort in dem Frauen in Fenstern sitzen, um ihre Ware "Körper" anzupreisen, in dem Frauen diffamierende Werbung an Straßenkreuzungen hängt, die täglich von Frauen mit Kindern und niedrigem Einkommen überquert werden. Einem Ort, der schwirrt vor Bildern von Frauen, aber an dem Frauen selbst kaum zu Wort kommen. Der Frage nachgehend, wie Konstruktionen des weiblichen Geschlechts in so einer Umgebung aussehen, entwickelte Hindley ihre sich den bunten, herabwürdigenden Bildern entziehende, einzig auf Typografie basierende Installation im Export-Kubus: She is not in need of labels.

Hindley und Poposki zeigten weitere Projekte:

  • –  eines, dass die Charakteristika von Büchern in Form eines Künstlerbuches aus Stahl und Aluminium thematisierte (Hindley);
  • –  die Performance "Portrait of the Artist as a Cultural Worker", in dem das Wissen als reines Wirtschaftsgut im Mittelpunkt stand (Poposki);
  • –  ein transmediales Projekt zum Wildwuchs von riesigen Werbetafeln in Skopje, das eine webbasierte Karte, Arbeiten für diese Werbetafeln und ein Dialog-Forum zwischen Bürgern und Bürgerinnen, der Stadtverwaltung und Unternehmen in einem Museum bot (Poposki);
  • –  das Projekt "Shelter" von Hindley, das eigentlich weniger Projekt als transdisziplinäres Kunstfestival unter dem Leitthema Shelter in Wien war.

Eingebettet waren diese Projektbeispiele in theoretische Überlegungen des Verhältnisses von Kunst und Forschung und Kunst und Gesellschaft zueinander. Insgesamt ein inspirierender Abend, der den anwesenden Potsdamerinnen und Berlinern einen Einblick in Theorie und Praxis der künstlerischen Forschung in Zentral- und Osteuropa bot.

Jennifer Hoffmann.