Screening

Life after fire - How to rescue (film) histories in Brazil?

Filmvorführungen und Gesprächsveranstaltung zum UNESCO Welttag des audiovisuellen Erbes.

Datum / Dauer:
27.10.2022
Zeit:
18:30 – 22:00
Ort:
Filmmuseum Potsdam
Breite Str. 1A
Potsdam
 (öffnet Vergrößerung des Bildes)

Life after fire - How to rescue (film) histories in Brazil?

Filmmuseum Potsdam, Breite Str. 1a/ Marstall, 144467 Potsdam
Kartenreservierung: 0331-2718112, ticket@filmmuseum-potsdam.de


29.7.2021, ein Feuer bricht um 18 Uhr Ortszeit in São Paulo aus. Ein Lagerhaus der Cinemateca Brasileira, der größten Filmsammlung Lateinamerikas, steht in Flammen - eine „angekündigte Tragödie“ (Laura Bezerra, brasilianische Archivwissenschaftlerin).

Das Feuer im Juli 2021 war nicht das einzige seiner Art. Bereits vier Großbrände haben das bedeutendste Filmarchiv Brasiliens seit seiner Gründung 1940 heimgesucht. Doch unter der Präsidentschaft Jair Bolsonaros befindet sich die Cinemateca in ihrer größten Krise. Der Präsident hatte kurz nach seinem Machtantritt der Kultur den Kampf angesagt: Themen und Menschen – Linke, Queer, Indigene, Frauenrechte, alternative Lebensformen oder Minderheiten – passen nicht in das erzkonservative Weltbild. Wegen der ausgesetzten Finanzierung musste das Archiv 2019 für fast zwei Jahre schließen, notwendige Instandsetzungen am Gebäude und an den Beständen konnten nicht durchgeführt werden. Das Feuer hat zahlreiche Expert:innen weltweit leider nicht überrascht.    

Zum UNESCO Welttag des audiovisuellen Erbes und vor dem Hintergrund der anstehenden Präsidentschaftswahl am 02. und 30. Oktober in Brasilien würdigen wir mit einem vielfältigen Programm das brasilianische Filmerbe und hinterfragen den aktuellen Stand beim Kampf um dessen Erhaltung.

 

Teil 1, 18.30 Uhr

Filmprogramm & Gespräch über das Filmerbe in Brasilien und dessen langfristige Sicherung    

Digital Ashes
R: Bruno Christofoletti Barrenha, D/BRA 2022, Dok., OmeU, 12'
/lost+found - Fernanda Coelho
R: Diogo Cavour, Thiago Ortman, BRA 2022, Dok., OmeU, 33‘
Im Anschluss Gespräch mit Fabiana Ferreira (Moderation: Rodrigo Campos)

Mit zwei aktuellen Filmproduktionen möchten wir den Einblick in die Welt der Filmarchivierung in Brasilien eröffnen. Der TV-Dokumentarfilm /lost+found - Fernanda Coelho porträtiert eine Archivarin, welche mehr als 30 Jahre in der Cinemateca Brasileira, dem größten Archiv Brasiliens, gearbeitet hat. Warmherzig und tiefgründig denkt sie über das Bewahren und Erinnern nach und vermittelt nebenbei die wechselhafte Geschichte des Archivs sowie seinen derzeitigen kritischen Status. Einen experimentellen Zugang zu den Bränden in der Cinemateca Brasileira findet der Medienkünstler Bruno Christofoletti Barrenha. Digital Ashes montiert digitale Fragmente, deren analoge Quellen bereits durch die Feuer zerstört wurden. Im Anschluss werden wir mit Fabiana Ferreira (brasilianische Archivwissenschaftlerin) über die Bedeutung der aktuellen politischen Situation für das brasilianische Filmerbe sprechen.

Einführung: Rodrigo Campos (Student M.A. Filmkulturerbe)

 

Teil 2, 20.30 Uhr

Filmprogramm: weibliches Filmschaffen zur Zeit der Militärdiktatur
A entrevista (The Interview)
R: Helena Solberg, BRA 1966, OmeU, 19'
Indústria (Industry)
R: Ana Carolina, BRA 1969, OmeU, 12'
Creche-Lar (Home-Daycare)
R: Maria Luiza Aboim, BRA 1978, OmeU, 9'
Orixá Ninú Ilê: arte sacra negra I (Orixá Ninú Ilê: black sacred art I)
R: Juana Elbein dos Santos, BRA 1978, OmeU, 25’
Ritos de passagem (Rites of passage)
R: Sandra Werneck, BRA 1979, OmeU, 12'

Das Filmprogramm gibt Einblick in die Filme, die von Frauen in Brasilien während der Militärdiktatur (1964-1985) gedreht wurden. Während das Militärregime versuchte, Verhaltensnormen für Frauen aufzustellen, war das Filmen an sich bereits ein Akt des Widerstandes. Die Filme setzen sich mit der Stellung der Frau in der Gesellschaft auseinander (A entrevista), problematisieren Kinderbetreuung und Berufstätigkeit (Creche-Lar), porträtieren marginalisierte Gruppen (Ritos de passagem und Orixá Ninú Ilê) und kritisieren die Wirtschaftspolitik der damaligen Zeit (Indústria). Vom Kanon ausgeschlossen wurden die Filme von Frauen jedoch oft nicht gezeigt und auch in den Archiven nicht seriös aufbewahrt – eine Problematik, die bis heute andauert und gegen die wir mit dieser Filmreihe ein Zeichen setzen wollen. Denn nur wenn Filme gezeigt werden, können neue Verbindungen mit dem Material aus anderen Zeiten und Orten hergestellt werden.

Einführung: Elena Barysheva & Freya Glomb (Studentinnen M.A. Filmkulturerbe) 

Die Veranstaltung wird in englischer Sprache durchgeführt.
In Zusammenarbeit mit dem Masterstudiengang Filmkulturerbe der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF. Mit Unterstützung des Centro Técnico Audiovisual (CTAv), Rio de Janeiro, Brasilien.