Das in Kooperation mit der Fachhochschule Potsdam durchgeführte Projekt beschäftigt sich mit Medienkollisionen als Innovationstreibern für neue Zugänge zum Kulturerbe und wird durch EFRE-Mittel für zwei Jahre bis Mitte 2022 gefördert. Im Gespräch geben die Projektleiterinnen Tatiana Brandrup und Katrin Springer Auskunft zum aktuellen Stand der Arbeiten.
Nun habt ihr fast die Hälfte der geförderten Projektlaufzeit hinter euch. Eines der Ziele der digitalen Rekonstruktion des „verlorenen Ortes“ – der Wohnung Eisensteins in Moskau – ist auch, ihn wieder emotional erlebbar zu machen. Könnt ihr schon einschätzen, inwieweit dies gelingt?
Diesen Ort wieder erleben zu können, wird auf jeden Fall ein großes emotionales Erlebnis. Zumal - wider Erwarten - die Original-Flur-Pläne der Eisenstein-Wohnung aufgetaucht sind, nach denen 50 Jahre lang vergeblich gefahndet wurde. Es wird voraussichtlich ein Zimmer, die Bibliothek, nachempfunden und vollständig eingerichtet sein. Die anderen Räume werden auch begehbar sein, aber wie weit wir kommen, ist noch ungewiss.
Liegt darin auch eine Chance, dieses besondere Gedankenuniversum einem Publikum zugänglich zu machen, das sonst damit nicht in Kontakt käme?
Die Erfahrung der Pandemie hat gezeigt, dass virtuelle Museen immer wichtiger werden. Es ist normaler geworden, in digitale Museen zu gehen. Diese Akzeptanz wird auch die Zielgruppe vergrößern. Wir arbeiten daran, ein Gleichgewicht zwischen den Wünschen unterschiedlicher Zielgruppen zu finden und einerseits den eher intellektuellen Anspruch der Fachbesucher*innen und Studierenden zu bedienen, aber gleichzeitig auch dem Wunsch des nicht „professionellen“ Publikums nach einem eher sinnlichen Zugang gerecht zu werden. Diese Entscheidungen sind Teil der nächsten Forschungsetappe.
Ihr habt mitten in der ersten Pandemie-Welle angefangen. Wurde die Arbeit an dieser Vergegenwärtigung des Abwesenden über das Organisatorische hinaus beeinflusst von dieser Zeit, die selbst massiv von Abwesenheiten geprägt ist?
Auf eine merkwürdige Weise wurde das Projekt dadurch in einer neuen Form relevant. Wir erleben die Abwesenheit von Freiheiten, die für uns bis jetzt selbstverständlich waren.
Sergei Eisenstein selbst hat vor allem in der letzten Phase seines Lebens die Abwesenheit von politischer und geistiger Freiheit erlebt - und auch von Bewegungsfreiheit. Er hat sich inmitten des stalinistischen Russlands einen inneren Raum geschaffen, in dem er sich frei durch Kulturen und Zeiten bewegen und daraus Synergien schöpfen konnte. Sich damit in der Situation einer globalen Pandemie zu beschäftigen, hat unserem Projekt eine neue Dimension gegeben. Denn es soll ja die Grundlage schaffen, um Besucher*innen solche geistigen Reisen ins Innere zu ermöglichen.
In einer idealen Welt: was würdet ihr bis zum bzw. mit dem Projektabschluss gerne erreichen?
Wir möchten die Wohnung erschaffen. Darüber hinaus wollen wir durch die Medien-Brücken, die wir erforschen und aufbauen, Eisensteins Biographie nicht nur in Virtueller Realität sondern gemeinsam mit den Bereichen Informationsvisualisierung und Sound multimedial zugänglich machen – dabei wird es unter anderem um Eisensteins Film „Die Generallinie“ und den ersten internationalen „Kongress des Unabhängigen Films“ in La Sarraz gehen. Wir möchten eine Erfahrung schaffen, die neugierig auf mehr macht.
Mehr Informationen zum Projekt finden sich auf der Projektwebsite. Ein ausführliches Gespräch mit den beiden Projektleiterinnen präsentiert Episode 16 des Podcasts „Film Studies bling-bling“.