Gil Alkabetz: Nachruf auf einen stillen Leuchtturm

Gil Alkabetz Lebenslicht ist erloschen. Wir können es nicht begreifen.

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Von 2004 bis zu seinem Tod 2022 unterrichte Gil Alkabetz an der heutigen Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF. Mit seinem sanften und freundlichen Charakter war Gil ein allseits geschätzter Lehrer, Kollege, Gesprächspartner und Freund. Mit seinen innovativen Lehrformaten ANIMATION UNPLUGGED, 1-SEKUNDEN-FILMEN und EIN-BILD-ERZÄHLUNGEN, begeisterte er uns alle. Gil Alkabetz hatte in den Studiengängen Animation und Animationsregie immer eine Sonderstellung inne. Niemals wollte er ganz Lehrer sein und bestand auf seine Teilzeittätigkeit, um weiterhin freie Animationsfilme machen zu können.

Vielen ist nicht bekannt, dass Gil Alkabetz einen Schlüsselbeitrag zum neuen deutschen Spielfilm ab 1998 geleistet hat, denn die Gestaltung der Animationssequenzen von LOLA RENNT verhalfen dem Regisseur Tom Tykwer mit zum internationalen Durchbruch. In der spiralartigen Dramaturgie des Actionthrillers fungiert die Animation als wesentliches hybrides Bindeglied und trägt maßgeblich dazu bei, das populäre Genre durch die animierte Protagonistin Lola experimentell zu erneuern.

Geboren wurde er 1957 im Kibbuz Mashabei Sade in Israel. Studiert hat er von 1979 bis 1983 Grafikdesign an der Bezalel Akademie für Kunst und Gestaltung, Jerusalem. Dank eines Stipendiums ging er an die Staatliche Akademie der bildenden Künste Stuttgart, in dem von Albrecht Ade begründeten Studiengang Design mit Schwerpunkt Animation.

Seit 1995 arbeitete u.a. für Studio Film Bilder, den SDR, Nickelodeon und MTV. Er realisierte wichtige Animationsfilme wie YANKALE (1996) und RUBICON (1997). 2000 gründete er zusammen mit seiner Frau Nurit Israeli sein eigenes Studio, das SWEET HOME STUDIO. Dank der Offenheit der MFG-Förderpolitik in Baden-Württemberg für den Animationssektor konnten eine Reihe weiterer freie künstlerische Kurzfilme produziert werden, wie z.B. REISE NACH CHINA (2002), MORIR DE AMOR (2004) oder DER DA VINCI TIMECODE (2009).

Jeder neue Film sei sein letzter Film und mit jedem letzten Film wollte er sich neu erfinden. Sein Werk ist von einer eigensinnigen Stillosigkeit und künstlerischen Freiheit geprägt und doch ist jeder Film von Gil Alkabetz unverkennbar. Seine Filme kommen vom Bild, gehen zum Bild und über das Bild hinaus. Allen Regeln zum Trotz bis zur Verweigerung der Animation zurück zum Einzelbild. Experimentelle Animation jenseits des Bildes: Am radikalsten realisiert im Experiment „1+1 = Audiovisuelles synthetisches Kopfkino“.

Stets an Naturwissenschaft und Philosophie interessiert, dachte er bis zuletzt über ein tieferes Verständnis des Universums als Ganzes nach. Sein großer Wunsch, einen animierten Langfilm zu realisieren, scheiterte. Sicherlich hätte auch dieses Projekt den deutschen Film bereichert.
 

Gil Alkabetz war ein international bekannter, vielfach preisgekrönter und verehrter Animationskünstler und ein hoch geschätzter, feinfühliger und engagierter Kollege. Nicht nur wir, seine Kolleg*innen, werden Gil sehr vermissen. Mit tief empfundener Trauer nimmt die Filmuniversität Abschied von einem besonderen Menschen. Unsere Gedanken und unser aufrichtiges Beileid sind bei seiner Familie und allen, die ihm nahestanden.

 

Seine Filme und Bilder sind bereit neu entdeckt zu werden:

 

„Es ist ein Irrtum, daß die Toten tot sind.“ Alexander Kluge