Alumni-News

Zum Gedenken an Kurt Tetzlaff

Am vergangenen Montag verstarb Regisseur und Filmuni-Alumnus Kurt Tetzlaff im Alter von 89 Jahren. Wir trauern mit seinen Angehörigen um einen außergewöhnlichen Menschen und herausragenden Beobachter von Wirklichkeit.

Kurt Tetzlaff hat mehr als 70 Filme gedreht, davon etwa 50 beim DEFA-Studio für populärwissenschaftliche Filme. Sein Werk reicht von den 1950er bis zu den 1990er Jahren und umfasst ambitionierte Dokumentarfilme, kleinere Arbeiten für das Kinobeiprogramm und Auftragsfilme.
Von 1955 bis 1960 studierte er Regie an der Deutschen Hochschule für Filmkunst in Potsdam-Babelsberg (heute Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF), wo er u.a. die dokumentarische Übung AUF EINEM BAHNSTEIG (1957) - seinen ersten Achtungserfolg - drehte. Als einer der ersten Absolventen der Filmhochschule gehörte Tetzlaff ab den 1960er Jahren zu den Dokumentarfilmregisseur*innen, die mit ihren Filmen – z.B. über die konkreten Arbeitsbedingungen in der Industrie – kontroverse Themen in die DDR-Öffentlichkeit einbrachten und mit formalen Mitteln – wie der Alltagsbeobachtung, dem O-Ton und dem Interview – die filmischen Standards erweiterten.
Einer seiner ersten, auch ausgezeichneten, Filme war IM JANUAR 1963 (1963), der eine Brigade im Braunkohletagebau porträtiert. Von da an greift er das Thema Kohle und Energiewirtschaft immer wieder auf. 1964 dreht er ES GENÜGT NICHT 18 ZU SEIN über junge Ölarbeiter auf einem Bohrturm in Mecklenburg. Dem Film wird, wegen des ungeschönten Bilds von der Arbeit, die Zulassung verweigert. BEGEGNUNGEN AN DER TRASSE und ALLTAG EINES ABENTEUERS (beide 1976) über die Druschba-Trasse schließen daran an. Mit ERINNERUNG AN EINE LANDSCHAFT – FÜR MANUELA (1984), eine dokumentarische Langzeitstudie über den Abriss von Dörfern für den Braunkohletagebau in der Region um Leipzig und die Umsiedlung der Bewohner in Neubausiedlungen, blickt er auf die Kosten der Kohlepolitik für Mensch und Natur. Die Empathie, mit denen Tetzlaff seinen Protagonisten begegnet und das Vertrauen, das er beim Drehen geschenkt bekommt, machen die dokumentarischen Porträts zu seinen vielleicht stärksten Filmen.
Mit LOOPING (1975) wagt sich der Dokumentarist einmalig in den Bereich des Spielfilms. Außerdem entstehen verschiedene Künstlerporträts: etwa über Käthe Kollwitz und Bertholt Brecht – z.B. DIE PFLAUMENBÄUME SIND WOHL ABGEHAUEN (1978) – oder, für das Fernsehen, über den Schauspieler Erwin Geschonneck und den amerikanischen Sänger Paul Robeson. Sowie Auftragsfilme wie IM AUFTRAG DER KLASSE (1971), DIE KINDER PALÄSTINAS (1981) oder IM JAHR 1932 – DER ROTE KANDIDAT (1986).
1990 gelingt Tetzlaff mit IM DURCHGANG – PROTOKOLL FÜR DAS GEDÄCHTNIS (1990) nochmal ein sensibles Porträt und Zeitzeugnis: Er begleitet den Pfarrersohn Alexander Schulz, der in Potsdam einen Jahreszyklus vom Frühjahr 1989 bis zum Frühjahr 1990 durchlebt. Die Umbrüche im Alltagsleben nach der Wende dokumentiert er in LEBEN IM BESETZTEN HAUS (1993).
Nach dem Ende der DDR und der Abwicklung der DEFA realisiert er noch einige, wenige Filme, u.a. DIE GARNISONKIRCHE - PROTOKOLL EINER ZERSTÖRUNG (1992).

Im Filmmuseum Potsdam, einem Institut der Filmuniversität, war er nicht nur zu seinen Jubiläen ein willkommener Gast. Er wirkte im Freundeskreis des Museums mit. In seinen Filmen und Bühnengesprächen ließ er das Publikum ganz nah teilhaben an Geschichte und seinen Geschichten.

(Quellen: DEFA Stiftung, Groß Glienicke e.V., Filmmuseum Potsdam)

 

Christine Handke, Dr. Ilka Brombach
Direktorinnen Filmmuseum Potsdam

Prof. Dr. Susanne Stürmer
Präsidentin Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF

Stefanie Eckert
Vorstand DEFA Stiftung