Nachtschichten - Lea Wohl von Haselberg

Wie so vieles im Moment beginnt auch mein Text mit einem eigentlich. Eigentlich sollte ich gerade mit Hochdruck die Nachwuchsforschungsgruppe „Jüdischer Film“ vorbereiten. Anfang Mai hat die Laufzeit offiziell begonnen, bis Ende Mai waren dafür drei Stellen ausgeschrieben, jetzt will ich die Bewerbungen sichten und die Gespräche planen, den gemeinsamen Start zum Wintersemester organisatorisch wie inhaltlich vorbereiten.

Stattdessen erinnert mich die Krise daran, wie prekär es sein kann als Frau in der Wissenschaft tätig zu sein, als Mutter allemal. Die nichtexistente Kinderbetreuung macht meinen Plänen gerade einen Strich durch die Rechnung. Als Wissenschaftlerin Kinder zu haben scheint nicht vorgesehen, die Geldgeber von Drittmittelprojekten konzipieren immer wieder Förderlinien, in denen die Eventualität ‚Familie‘ nicht auftaucht. In der Wissenschaftslandschaft ist es also im Kleinen, wie in der Gesellschaft im Großen: die Krise macht Defizite sichtbarer und mir klar, dass es noch ziemlich viel zu tun gibt, bis Frauen wirklich gleichberechtigt forschen können. Gleichzeitig zeigt mir die von außen begrenzte Arbeitszeit auch, warum ich das alles mache: Ich vermisse meine Arbeit oder, um es mit den Worten meiner Tochter zu sagen, ich bin echt verliebt meine Projekte.

Lea Wohl von Haselberg

 (opens enlarged image)