Wenn ein Mensch stirbt, werden die Erinnerungen an ihn nicht nur verbal weitergegeben, sondern bleiben auf unseren Endgeräten oder im Internet gespeichert. Gleichzeitig ist die Trauerfeier, welche die Hinterbliebenen durchlaufen, komplett analog und an einen Ort gebunden. Finanzielle, berufliche, gesundheitliche Gründe oder zu große örtliche Distanzen können allerdings eine persönliche Teilnahme an einer Trauerfeier verhindern. Ein intersidziplinäres Team hat sich nun durch den Gründungsservice der Filmuniversität zusammengfunden mit der Idee, Bestattungszeremonie und Erinnerungskultur erstmalig in einen, dem Anlass entsprechenden, virtuellen 3D Raum zu übertragen.
"farvel", das sind die UX/UI-Designerin Jennifer Beitel, die bereits durch ihre Masterthesis und -projekt zum Thema digitale kreative Arbeit im Trauerprozess eine wissenschaftliche Vorarbeit in Form einer App leistete, der erfahrene Softwareentwickler Markus Traber, der sich in freien Projekten intensiv mit 3D Räumen beschäftigt, und Lilli Berger, die als Bestatterin Branchenerfahrung mitbringt und durch ihren Master Leadership in Digitaler Kommunikation an der Universität der Künste die führende Rolle im Marketing übernimmt.
Ziel der Software farvel ist es, dass jede Person einen virtuellen Trauerraum unabhängig von Ort und Zeit über den Browser von Endgeräten wie Computer, Tablet, Handy und VR-Brille betreten kann. Während bereits vorhandene 3D oder 2D Virtual Spaces (z.B. Mozilla Hubs, Gather.town), Videokonferenzen (z.B. Zoom) oder andere Social Media Plattformen (z. B. Facebook, YouTube) nicht auf den Anwendungsfall von Trauer- und Erinnerungsräumen ausgerichtet sind, kann bei farvel alles individuell angepasst werden. Wir entdecken eine kleine Kapelle, geschmückt mit Bildern und Videos der Verstorbenen, eine Kerze steht auf dem Tisch. Oder wir befinden uns auf einer Insel, das Meer rauscht und wir hören Sprachnachrichten mit Erinnerungen von Angehörigen. Die Trauerrede kann angehört, Nachrichten und Bilder hinterlassen oder mit anderen Trauernden kommuniziert werden. Durch den eingebauten räumlichen Klang, auch Spatial Audio genannt, entstehen natürliche Gesprächsinteraktionen mit Nutzer*innen, welche die Realität virtuell nachempfinden. Das erschafft intensivere bildhafte Erinnerungen und fördert den Trauerprozess. Eine speziell gestaltete User Experience vereinfacht dabei die wichtigen Schritte in der Nutzung.
Wenn es um die Bearbeitung des digitalen Erbes geht, spielen hohe Datenschutzanforderungen eine entscheidende Rolle. Die Software farvel – und damit auch die Erinnerungsdaten der Angehörigen – wird auf Servern in Deutschland betrieben. Geschulte Bestatter*innen und Trauerredner*innen sowie Endnutzer*innen behalten volle Datenkontrolle. Im Gegensatz zu den bereits genannten kostenlosen Social Media Plattformen und Videokonferenztools werden Nutzer*innendaten nicht für Werbezwecke missbraucht.
Das interaktive Angebot wird über eine Website buchbar sein. Geplant ist der Launch des ersten Raums im Frühjahr 2022 in Zusammenarbeit mit der größten deutschen Agentur für Trauerredner*innen wer du warst.
Mit dieser Gründungsidee hat das Team nun erfolgreich eine Förderung über das EXIST-Gründerstipendium erhalten , das "innovative technologieorientiertes oder wissensbasiertes Produkt mit signifikanten Alleinstellungsmerkmalen und guten wirtschaftlichen Erfolgsaussichten" unterstützt. Der Filmuni- Gründungsservice und die Professorinnen Dr. Lena Gieseke und Dr. Angela Brennecke des Masterstudiengangs Creative Technologies begleiten das Team als Mentor*innen.
Wir gratulieren herzlich und wünschen dem Team viel Erfolg!
Weitere Informationen zum Projekt finden Sie unter www.farvel.space. Interessierten Bestatter*innen oder Trauerredner*innen kann ein kostenfreier Rundgang angeboten werden. Kontakt: hi(at)farvel.space.
Pressekontakt: Lilli Berger +49 156 78389168