Was bedeutet Zukunft für dich?
Angelica: Zukunft ist, was wir daraus machen. Ich glaube an die Kraft von Geschichten, Bildern und gemeinsamen Visionen. Statt in Dystopien zu verharren, forsche ich künstlerisch an möglichen Zukünften – mit Herz, Körper und Technologie.
Juliane: Zukunft ist für mich ein offener Raum des Möglichen, vor dem Hintergrund von Endlichkeit. Dass Schöne daran ist, dass wir sie genau deshalb – weil wir endlich sind, in unserem Handeln, in unserem Denken, in unserem Sein – gestalten können, ja müssen. Das machen wir heute, genau jetzt. Dabei kommt den Künsten eine entscheidende Rolle zu. Wir beginnen etwas, wir treffen Entscheidungen, wir pflanzen einen Baum, wir schlagen eine Schneise. Und doch kann jederzeit etwas ganz Neues geschehen, alles anders werden.
Zukunft erfordert Ambivalenzkompetenz in der Gegenwart – und Mut! Zukunft hat man nicht, Zukunft ist man.
Wie forschst du künstlerisch?
Dennis: Streng genommen erforschen wir mit jedem neuen Stoff, Buch, Entwurf, Dreh, jeder Montage und Mischung ein Thema, eine Geschichte, ein Milieu und seine Menschen – und das auf künstlerische Weise. Zumindest gilt das immer dann, wenn wir uns den Dingen immer wieder aufs Neue stellen und nicht formalistisch Regeln und Konventionen wiederholen. Soll heißen: neugierige Filmschaffende, der ich hoffentlich immer noch bin, sind immer auch künstlerisch forschende.
Aktuell frage ich mich aber immer öfter, wie unser filmisches Erzählen selbst eigentlich funktioniert. Die zentrale Forschungsfrage wäre dann: „Was machen wir da eigentlich?“
Für mich sind das aktuell Storywelten und ihre dramaturgischen Regeln: Wie erklären wir uns die Welt, was sind die erzählerischen Voraussetzungen für Utopien, Dystopien, restaurative, konservative oder progressive Erzählwelten? Welche Erzählweisen sind typisch für uns, und was macht eigentlich den Unterschied zwischen vielen unserer Erzählungen und den Erzählungen anderer Kulturen aus?
Angelica: Meine künstlerische Forschung ist cokreativ, transmedial und sinnlich – ich arbeite mit Storytelling, Technologien und Formaten wie Camilla Plastic Ocean Plan oder Camilla Planet Food. Seit Camilla Waters fließen auch Embodiment, Mythen und Rituale ein, um Zukunft immersiv erlebbar zu machen. Für mehr Vorstellungskraft, Verbundenheit und Handlungsfreude.
Im Art For Futures Lab, das ich 2020 mitgegründet habe, entwickeln wir mithilfe von Worldbuilding, Design Thinking und Regnose Zukunftsworkshops auf Basis realer Lösungen – über 100 an der Zahl, weltweit.
Warum bist Du im IKF?
Dennis: Die Branche verändert sich (mal wieder) rasend schnell vor unseren Augen, aber diesmal geht es um noch mehr, als um technische Veränderungen traditioneller Arbeitsabläufe und Marktsituationen. KI wird nicht nur alle Filmherstellungsprozesse beeinflussen, sondern auch unsere Kunstformen selbst verändern, und zwar auf eine Weise, die wir noch gar nicht absehen können.
Ich finde es entscheidend, mich in Zeiten großer Umbrüche mit dem Wesen und den Möglichkeiten der eigenen Kunst zu beschäftigen. Und ich will sie durch Forschung nicht nur selbst besser verstehen lernen, sondern mich daran beteiligen, dass wir das an der Filmuniversität gemeinsam tun. Weil: Wo sonst und wer sonst?
Juliane: Ich bin im IKF, um exploratives, forschendes Arbeiten in den Künsten zu fördern, mit dem die zeitbasierten Medien sich weiterentwickeln können; um künstlerische Praktiken zu unterstützen und sichtbar zu machen, die sich den gesellschaftlichen Herausforderungen stellen, den Entwicklungen, die das Leben und Arbeiten verändern, mit Blick auf die oft politisierten Kontexte, in denen Kunst steht und wirksam wird. Ich bin im IKF, um mit Studierenden und Lehrenden Räume für diese Reflexion und für das Arbeiten auf der Schwelle zwischen Kunst und Forschung zu eröffnen.
Ich bin auch im IKF, um zu vermitteln: Es gibt ein heterogenes, stets erweiterbares Feld an Praktiken in Kunst, Wissenschaft, Philosophie und Technologieentwicklung – und alles kann Teil künstlerischer Forschung sein. Dass Kunst Fragen aufwirft und Erkenntnisse evoziert, ist ein uralter Topos, nur deshalb gibt es Zensur. Dass wir mit künstlerischen Praktiken ganz konkret an den gemeinsamen Aufgaben arbeiten können – z.B. mit KI und gegen die Klimakrise; dass wir kommunikativ, provokativ, intervenierend Zukunft gestalten; dass wir kritisch, kreativ und im Konflikt sein können, wenn wir dabei Arbeitsformen und Forschungsmethoden ausprobieren, und dass wir genau dann mehr sind als die Summe der Teile: das ist für mich künstlerische Forschung.