Basierend auf Archivmaterial nähert sich der animierte Dokumentarfilm TRACING ADDAI einem jungen Mann Anfang 20, der in Deutschland alles hinter sich lässt mit dem Vorsatz zu helfen. 2013 schließt sich Addai einer salafistischen Gruppe in Syrien an. Aus der Begegnung von Addais Mutter mit Ilias, einem Rückkehrer aus Syrien, ergeben sich einzelne Linien, mittels derer sich die Geschichte vom Sohn und Kameraden fragmentarisch nachzeichnen lässt. Seit Oktober 2015 studiert Esther Niemeier im Master Dokumentarfilmregie an der Filmuniversität. TRACING ADDAI ist ihr Abschlussfilm und entsteht im Rahmen der Nachwuchs-Initiative Leuchstoff mit Fördermitteln des Medienboard Berlin-Brandenburg und in Koproduktion mit dem rbb. Wir haben mit der Regisseurin gesprochen:
Filmuni: Esther, Glückwunsch zur Nominierung für die Student Academy Awards in der Kategorie „Documentary (International Film Schools)“. Wie hat Dich die Nachricht von der Nominierung erreicht und wie war deine Reaktion?
Esther: Die Nachricht kam per E-Mail. Fast zeitgleich kam allerdings auch schon die Pressemitteilung raus und bevor ich es überhaupt richtig verdauen konnte, klingelte schon mein Telefon und es riefen Leute an, um mir zu gratulieren.
Filmuni: Wie kamst Du auf die Geschichte und wie entstand die Idee, daraus einen Film zu machen?
Esther: In dem Film erzähle ich eine sehr persönliche Geschichte. Ich kannte Addai gut und ich hatte von Anfang an das starke Bedürfnis seine Geschichte zu erzählen. Sie hat mich sehr schockiert und mitgenommen und ich wollte auf der einen Seite verstehen, wie so etwas überhaupt passieren konnte und auf der anderen Seite fand ich es dringend notwendig einen Diskurs anzuregen.
Filmuni: TRACING ADDAI ist ein animierter Dokumentarfilm. Was hat Dich dazu bewegt, den Film genau so zu gestalten? Wolltest Du ihn bewusst verfremden? Oder ggf. auch die Personen im Film schützen?
Esther: Von Anfang an habe ich den Film als animierten Dokumentarfilm gesehen. Das war einmal auch um die Protagonisten zu schützen und ihnen Anonymität zu gewähren, aber auch um Orte und Geschehenes zu erzählen, welche es nicht mehr gibt und um Addai ein Gesicht geben zu können. Die Animation schafft sehr viel Freiheit beim bildlichen Erzählen. Ein weiterer wichtiger Punkt für mich war es, die Geschichte mehr übertragbar zu machen, nicht zu stigmatisieren und gleichzeitig aber nicht die Emotion zu verlieren.
Filmuni: Kannst Du uns etwas vom Arbeitsprozess am Film erzählen? Wie schwierig war es, die Interviews zu führen? Wie aufwendig war es, die Videos und Fotos zu bekommen und zu animieren?
Esther: Meine Protagonist*innen waren beide sehr offen und haben mir großes Vertrauen geschenkt. Das war sehr schön und dadurch waren die Interviews und Gespräche immer sehr ausführlich. Schwierig war es hauptsächlich wegen der sehr persönlichen und traurigen Ereignisse über die wir immer wieder gesprochen haben.
Die äußeren Umstände waren bei Ilias immer nicht ganz einfach, denn er saß ja im Gefängnis und die Besuche mussten immer sehr genau geplant sein und es war außerdem sehr weit weg. Ich durfte nichts außer Stift und Papier mit ins Gesprächszimmer nehmen und wir mussten uns auf unser Gefühl verlassen, damit wir alles schaffen innerhalb der limitierten Zeit, die wir hatten.
Was die Bilder angeht: Ich hatte vorher noch nie mit Animation gearbeitet und hatte zum Glück wunderbare Animatoren. Für die war es aber auch neu einen so langen, komplett animierten Dokumentarfilm zu animieren und wir mussten uns Schritt für Schritt gemeinsam vorwärts tasten. Wir haben sehr viel ausprobiert bis wir einen Stil gefunden hatten. Das Ding ist, wenn man einmal angefangen hat zu animieren, dann gibt es kein Zurück. Das heißt, alles muss komplett auf den Frame genau durchgeplant sein bevor die Geschichte bebildert wird. Genau darin liegt die Schwierigkeit, denn ein Dokumentarfilm entsteht ja ziemlich genau anders herum. Beides zusammenzubringen war eine große Herausforderung.