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Filmbilder aus der NS-Zeit im Fokus

Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert gemeinsames Forschungsprojekt von Filmuniversität und der Hebrew University in Jerusalem zur Erschließung und Analyse historischen Filmmaterials und seiner Verwendung.

Der auf der Dose bezeichnete Film THE NAZI PLAN (1945, George Stevens) ist ein für die Nürnberger Prozesse hergestellter und dort vorgeführter Kompilationsfilm, in dem einige der im Projekt behandelten Materialien enthalten sind. Gerichtsverfahren, bei denen Beweisfilme vorgeführt wurden, sind die Stunde Null der Ikonisierungsprozesse von Filmbildern aus der NS-Zeit. (öffnet Vergrößerung des Bildes)
Foto: Alexander Zöller

Am 1. Mai 2021 startet das auf eine Laufzeit von acht Jahren angelegte DFG-Langfristvorhaben „Bilder, die Folgen haben – Eine Archäologie ikonischen Filmmaterials aus der NS-Zeit“ unter der Leitung von Prof. Dr. Chris Wahl und Dr. Tobias Ebbrecht-Hartmann als Kooperation zwischen der Filmuniversität Babelsberg und der Hebrew University in Jerusalem.

Die verbreiteten Vorstellungen von Nazizeit und Holocaust beruhen in weiten Teilen auf einem bestimmten Fundus heterogener Materialien wie beispielsweise den letzten bewegten Bildern von Adolf Hitler aus der Deutschen Wochenschau, Aufnahmen aus dem Übergangslager Westerbork oder aus dem Warschauer Ghetto, Reinhard Wieners Amateurfilm von Erschießungen in Liepaja, Eva Brauns Home Movies vom Berghof oder Leni Riefenstahls TRIUMPH DES WILLENS. Über die genaue Überlieferungsgeschichte dieser Materialien und ihrer verschiedenen Versionen ist allerdings bisher noch wenig bekannt. Das soll sich nun ändern.

Das Forschungsprojekt hat zum Ziel, die Material- und Verwendungsgeschichte einer Vielzahl ikonischer Filmsequenzen, die in der NS-Zeit entstanden sind, mit Hilfe eines archäologischen Ansatzes zu rekonstruieren und zu analysieren, um auf der Grundlage einer empirischen Datenerhebung Aussagen über Funktion und Stellenwert audiovisueller Quellen in der Erinnerungskultur treffen zu können.

„Wir wollen anhand der Materialien selbst, sowie mit Hilfe kontextualisierender Dokumente mehr über ihre Entstehung und Funktion erfahren,“ so Projektleiter Wahl von der Filmuniversität in Potsdam-Babelsberg. Neben der Provenienz steht aber auch die spätere Verwendung der zu untersuchenden Filme im Zentrum. „Der Prozess der Ikonisierung solcher Filmmaterialien, also ihre ständige Appropriierung und Rekontextualisierung in anderen Filmen seit den 1940er Jahren bis heute, wurde bisher überhaupt nicht erforscht,“ erklärt Ebbrecht-Hartmann von der Hebrew University in Jerusalem den Ansatz des Projekts.

Die Ergebnisse der Untersuchung werden in den kommenden Jahren in verschiedenen Formaten publiziert werden, als Online-Datenbank, in wissenschaftlichen Aufsätzen und Büchern, als Video-Essays, in Begleitmaterialien für DVD-Editionen sowie als Konzepte für die Bildungsarbeit.