Homeschooling und digitale Beziehungspflege

Ein Interview mit Dr. Ada Fehr und Malin Fecke zur Aktualität ihres gerade gestarteten Forschungsprojekts

 (öffnet Vergrößerung des Bildes)

Bildung mit und durch Digitale Medien ist nicht nur zuletzt wegen Corona weiter in den Fokus gerückt. Doch was bedeutet es eigentlich und in welchem Kontext verändert Digitalisierung die Arbeit im pädagogischen Bereich? Welche Strukturen müssen analysiert und neu geschaffen werden um digital gestützte Bildungsprozesse zu fördern?

Ein Gespräch mit Dr. Ada Fehr und  Malin Fecke zur dem BMBF-Projekt “Pädagogische Beziehungen in digital unterstützten Bildungsprozessen".

Der Lockdown ist in der Verlängerung, Millionen von Schülerinnen und Schülern sind weiterhin auf digitale Lehr- und Lernformate angewiesen - und gefühlt fahren alle Beteiligten auf Sicht und improvisieren vor sich hin. Kommt euer Projekt da nicht eigentlich zu spät?

Malin: Da hast du natürlich Recht. Interessanterweise war das Projekt schon geplant, bevor Corona das Thema so weit oben auf unser aller Agenda gesetzt hat. Das zeigt, dass digitale Medien auch vorher schon die Lehrer*innen-Schüler*innen-Beziehung verändert haben und dies auch noch über Corona hinaus tun werden. Sicherlich werden die Pandemie und ihre Rahmenbedingungen unser Thema nicht nur relevanter machen, sondern auch unsere Forschungsmethoden und Ergebnisse beeinflussen. 

Ada: Trotzdem ist es natürlich eine riesige Chance, dass wir die aktuelle Ausnahmesituation in den Schulen aus einer wissenschaftlichen Perspektive begleiten und untersuchen können. Und den Lehrkräften vor Ort nach Abschluss des Projekts Tools zur Gestaltung der Interaktionen mit ihren Schüler*innen in einer digitalen Umgebung mit an die Hand geben können.

 

Ihr beide werdet, als Postdoc und Doktorandin, das Projekt unter der Leitung von Professorin Daniela Schlütz maßgeblich durchführen. Ihr bringt dabei Euren jeweiligen fachlichen Hintergrund mit, und auch der gesamte Ansatz des Projekts ist interdisziplinär. Warum ist das bei dieser Fragestellung notwendig?

Ada: Das Projekt beleuchtet mit seiner Fragestellung ja einen Themenbereich, der im Spannungsfeld zwischen Mediennutzung, Digitalisierung und Pädagogik angesiedelt ist. Zur Bearbeitung brauchen wir also zum einen Expert*innen, welche die Wirkmechanismen von digitalen Medien und ihrer Nutzung verstehen. Zum anderen aber auch Personen, die den Schulalltag und pädagogische Beziehungen kennen und erforschen können.

Es kommt in unserem interdisziplinären Projektteam also das Beste aus beiden Welten zusammen: Wir arbeiten mit Prof. Dr. Christin Tellisch und Alexander Lang von der Hochschule für angewandte Pädagogik Berlin (HSAP) zusammen. Das sind die Spezialist*innen, wenn es um die Beziehung zwischen Lehrer*innen und Schüler*innen geht.

Malin: Unser Team hier an der Filmuni legt den Schwerpunkt auf die medien- und kommunikationswissenschaftliche Perspektive und entwickelt die methodische Umsetzung unserer Fragestellung. Gerade wenn es um die Erforschung von Mediennutzung geht, gibt es heutzutage viele neue empirische Ansätze, die bei uns zum Einsatz kommen werden. Als Beispiel: um die situative Mediennutzung der Schüler*innen und Pädagog*innen abzufragen, schicken wir ihnen über einen Zeitraum von 2 Wochen mehrmals täglich eine Pushbenachrichtigung auf ihr Smartphone. Darin werden sie dazu aufgefordert, in einem kurzen Fragebogen ihre aktuelle Mediennutzung zu dokumentieren. Der Vorteil ist hier, dass man näher an der eigentlichen Nutzungssituation dran ist. Wenn im Nachhinein befragt wird, kann es sein, dass sich die Proband*innen nicht mehr an alles erinnern.

 

In diesem Prozess sind verschiedene Stakeholder involviert, neben den Lehrenden und Lernenden auch Eltern, Institutionen, Lehrmittelanbieter*innen und nicht zuletzt die Politik. Wie und wann werden diese im Projekt eingebunden sein und wie macht Ihr die Ergebnisse verfügbar?

Ada: Das Projekt ist darauf angelegt, nicht nur Ergebnisse zu liefern, die innerhalb der Wissenschaft relevant sind, sondern wie du richtig sagst, auch für die unterschiedlichsten Anspruchsgruppen von Interesse sind. Die Schulen als zentraler Stakeholder sind insofern ins Projekt eingebunden, als dass wir als letztes Arbeitspaket im Projekt Fortbildungsformate für Pädagog*innen entwickeln, in denen wir sie dahingehend schulen, wie wertvolle pädagogische Beziehungen in der digitalen Welt aufgebaut und gestaltet werden können.

Malin: Die direkte Einbindung der Eltern ist bei dem Projekt nicht geplant. Sie erfolgt aber quasi ganz “automatisch”, weil wir dazu verpflichtet sind, bei der Befragung von Minderjährigen die Zustimmung der Eltern einzuholen. Und uns ist es natürlich wichtig, die Eltern von Anfang an mit ins Boot zu holen und umfassend darüber zu informieren, was genau wir im Rahmen des Forschungsprojekts vorhaben.

Ada: Darüber hinaus werden wir unsere Ergebnisse natürlich auf wissenschaftlichen Tagungen vorstellen und in entsprechenden Publikationen veröffentlichen. Wann immer möglich werden wir open access publizieren, damit die Ergebnisse für alle interessierten Personen zugänglich sind. Außerdem werden wir die erhobenen Daten (natürlich in anonymisierter Form) wissenschaftlichen Akteur*innen zugänglich machen, damit sie damit ggf. weiterarbeiten können.

 

Wenn Ihr Lehrerinnen und Lehrern aus dem Stand einen guten Rat geben solltet - welcher wäre das? (Hier ist es natürlich auch zulässig, darauf hinzuweisen, dass ihr als Wissenschaftlerinnen das gerade zu diesem Zeitpunkt nicht könnt. Aber vielleicht gibt es schon eine Hypothese oder einen Hinweis auf die wichtigsten Faktoren.)

Ada: Da wir mit dem Projekt erst im Dezember gestartet sind, ist es gar nicht so einfach, aus unserer Position als Wissenschaftlerinnen zum jetzigen Zeitpunkt Ratschläge zu geben. Was ich aber unbedingt betonen möchte, sind die vielen positiven Beispiele der “digitalen Beziehungspflege”, die von Lehrpersonen und Schüler*innen an uns herangetragen worden sind. So finden zum Beispiel tägliche Check-Ins mit den Schüler*innen im digitalen Morgenkreis via Videokonferenz-Tool statt oder es werden explizit Aufgaben gestellt, die auch in Zeiten von Fernunterricht den Austausch zwischen den Klassenkamerad*innen fördern sollen. In vielen Fällen funktioniert die schulische Arbeit im Digitalen also schon sehr gut. Wir schauen uns in den kommenden drei Jahren genauer an, wie man solche digitalen Beziehungen im schulischen Raum noch optimieren kann.

Malin: Was wir aber jetzt schon sagen können ist Folgendes: Seid neugierig, etwas Neues auszuprobieren und habt den Mut, dabei auch etwas von euren Schüler*innen zu lernen. Manchmal ist der Griff zu den Unterrichtsmaterialien aus dem letzten Jahrzehnt sicherlich der einfachere Weg, aber wer sich traut, neue (digitale) Wege auszuprobieren und digitale Unterrichtsmaterialien wie z.B. iPads einzusetzen, vermittelt nicht nur den Schüler*innen wichtige digitale Kompetenzen, sondern kann auch noch ganz viel für die eigene Zukunft mitnehmen.