Jüdischer Film – Was ist das? Eine Annäherung über Festivalprogramme und Rezeptionshaltungen

Nachwuchsgruppe im Postdoc Network Brandenburg

Projektbeginn:
2020
Projektabschluss:
2024
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Jüdischer Film ist ein junges interdisziplinäres Forschungsgebiet zwischen Jüdischen Studien und Film- und Medienwissenschaften, dessen Grenzen und Definitionen gegenwärtig vor allem im englischsprachigen Raum Gegenstand kontroverser wissenschaftlicher Auseinandersetzungen sind. Ungeachtet dessen produzieren filmkulturelle Praktiken den Gegenstand jüdischen Film über die Distribution und Rezeption von Filmen als ‚jüdisch‘ und etablieren ihn zunehmend. Davon zeugt die wachsende Zahl jüdischer Filmfestivals weltweit sowie jüdischer Filmtage und Filmclubs. In ihrer Programmarbeit finden, bisher von der wissenschaftlichen Auseinandersetzung weitgehend unberücksichtigt, Reflektionen über den Gegenstand des jüdischen Films von praktischer Seite statt.

Im Gegensatz zu Debatten, die den Gegenstand zu definieren suchen, bietet sich für Forschung und Lehre ein weites Verständnis an, dass jüdischen Film primär als Schnittstelle wissenschaftlicher Disziplinen und weniger als definierbaren Gegenstand versteht. In diesem Zusammenhang von ‚Judentum und Film’ macht die Distribution und Rezeption nur einen von drei Teilbereichen aus, daneben stehen Fragen der Repräsentation sowie akteurszentrierte Perspektiven. 

Die Nachwuchsforschungsgruppe Was ist jüdischer Film? hat zum Ziel, den im deutschsprachigen Raum noch jungen Forschungsbereich jüdischer Film in seiner ganzen Vielfalt am Forschungsstandort Potsdam als transdisziplinäre Kooperation von Medienwissenschaften (Filmuniversität) und Jüdischen Studien (Universität Potsdam) zu etablieren. Hierfür sind Lehrkooperationen, Colloquien, Workshops und Transferprojekte in die außeruniversitäre Öffentlichkeit geplant. Angestrebt ist überdies die Vernetzung von Wissenschaftler*innen in diesem Feld und die Zusammenarbeit auch mit relevanten außeruniversitären Akteur*innen. 

Die Forschungstätigkeit der Gruppe fokussiert sich jedoch klar auf den – am wenigsten erforschten – Teilbereich von Distribution und Rezeption und nähert sich darüber der Frage, was unter jüdischem Film verstanden wird. Dabei zeigen sich historische wie kulturelle Unterschiede, beispielsweise an den Jüdischen Filmfestivals, die einen wichtigen Forschungsschwerpunkt der Nachwuchsforschungsgruppe bilden: Während die ersten Jüdischen Filmfestivals in den 1980er Jahren in den USA aus den jüdischen Communities heraus entstanden, um andere Angebote für die eigene Community zu machen und damit neue Gesprächsanlässe zu schaffen, adressieren sie in Deutschland und Europa vor allem ein nichtjüdisches Publikum, dem Einblicke in jüdische Lebenswelten gegeben werden sollen, die ihm häufig weitgehend fremd sind. Solche impliziten und expliziten Zielsetzungen sowie die Auswirkungen der adressierten Publika auf die Programmgestaltung der Festivals zu erforschen ist Teil der Forschungsperspektiven der Nachwuchsgruppe. Hier lassen sich als Vergleichsfolien neben den US-amerikanischen und deutschen weitere jüdische Filmfestivals in Europa hinzuziehen. Insgesamt hat sich die noch junge Filmfestival-Forschung bisher nicht oder kaum mit den jüdischen Filmfestivals befasst, die in den USA mit inzwischen über 200 Festivals eine beachtliche Präsenz erreicht haben, sich aber auch in Deutschland steigender Beliebtheit erfreuen. Ihre wissenschaftliche Untersuchung und Klassifizierung anhand von Unterscheidungskriterien – wie die Größe gemessen in gezeigten Filmen, Publikumszahlen und Reichweite, aber auch die Programmierung der Filme, die wiederum nach Genres, Themen oder den adressierten Zuschauerinnen und Zuschauern differenziert werden kann – wird den Schwerpunkt der Arbeit der Nachwuchsforschungsgruppe bilden.

Ansprechperson