Schwangerschaft, Geburt und Mutterschaft sind in unserer gegenwärtigen Alltagswelt tief in Kommunikationsprozessen digitaler Medien verankert. Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Veröffentlichung von Mutterschaftsthemen im digitalen Raum offenbart Motive, Visualisierungsstrategien und Zuschreibungsprozesse, die es auf ihre gesellschaftlichen Auswirkungen hin zu reflektieren gilt – aktuell mehr denn je. Das DFG-Projekt unter der Leitung von Claudia Wegener will einen Beitrag leisten zum Verständnis davon, wie die Bedeutung sozialer Rollen – hier bezogen auf Mutterschaft bzw. auf die Mutterrolle – in einer digitalisierten Gesellschaft hergestellt wird, und inwiefern dieser Prozess junge Mütter vor zahlreiche Herausforderungen und Ansprüche stellt. Als eine von drei wissenschaftlich Mitarbeitenden bringt Friederike Jage-D‘Aprile zudem ihr Promotionsvorhaben zu Visualisierungsstrategien und Narrationen der Momfluencer-Kultur in das Projekt ein, das die Projektperspektive aufgreift, erweitert und wertvolle Synergien schafft.
Leitend für die Arbeitsgruppe, die ihre Arbeit Anfang Januar 2024 aufgenommen hat, ist ein sozialkonstruktivistischer Zugang, dem die Annahme zugrunde liegt, dass das medial konstruierte Mutterschaftsbild nicht nur die Akteurinnen selbst in ihrer Tätigkeit beeinflusst, sondern gleichermaßen für das (Rollen-)Selbstverständnis derjenigen relevant ist, die als Kommentierende und damit Partizipierende mittelbar in die Inszenierungen eingebunden sind. Der Übergang von Schwangerschaft und Geburt bis hin zur Mutterschaft kann als ein Prozess des Mutterwerdens und -seins verstanden werden, in dem sich (werdende) Mütter eine neue soziale Rolle aneignen, in die sie sich einfinden müssen, die erlernt wird und die schließlich auch an Handlungsmaßstäbe gebunden ist, die sich unter den jeweiligen gesellschaftlichen Bedingungen formieren und re-formieren. Angesichts zahlreicher thematisch einschlägiger Online-Portale, Foren und Kanäle zeigt sich, dass digitale Medien bei diesen Aushandlungsprozessen gegenwärtig eine wesentliche Rolle spielen und offensichtlich auch eine Orientierungsfunktion übernehmen. So ist davon auszugehen, dass die besonders von jungen Frauen genutzten digitalen Bildportale deren Selbstverständnis als Mutter mitprägen – vor allem angesichts der zunehmenden Popularität sogenannter „Momfluencer“, die ihr Muttersein online gezielt in den Vordergrund stellen und vermarkten.
Das DFG-Projekt, das mit seinem Vorhaben an internationale Studien anschließt, versteht Mutterschaft als Herstellungsleistung („Doing Motherhood“). Eine Reflexion der bestehenden und medial gestützten Mutterschaftsnarrative erscheint umso notwendiger, als dass Mutterschaft gegenwärtig mit mannigfachen, divergierenden, häufig normierten und rückwärtig gewandten Anforderungen und Erwartungen im Sinne einer Re-Traditionalisierung konfrontiert ist, die auch und gerade im gegenwärtigen öffentlichen Diskurs sichtbar werden. In Anbetracht zunehmender gesellschaftlicher Herausforderungen für junge Mütter wird die Notwendigkeit, sich auszutauschen, sich zu orientieren und Bedürfnisse auch medial sichtbar zu machen zusätzlich verstärkt. Zu diesen Herausforderungen gehören beispielsweise die erschwerte Versorgung durch Hebammen in vielen Regionen Deutschlands sowie die oftmals fehlende adäquate Unterstützung durch familiäre und soziale Netzwerke. Hinzu kommt, dass sich die jungen Mütter selbst in einer vulnerablen Phase befinden, da der Übergang in die Mutterschaft eine signifikante soziale, physische und psychische Veränderung im Leben eines Menschen darstellt. Welche Rolle die digitalen Medien und ihre populären Akteurinnen hier spielen, wird sich im Laufe des Projekts zeigen.