Werkstätten
Als Ergänzung zum theoretischen Unterricht des Kerncurriculums des Masterstudiengangs Regie werden in Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen der Filmuniversität eine Reihe von regelmäßigen, praktischen Werkstätten angeboten. In diesen Blockseminaren geht es um ehrlichen Erfahrungsaustausch, praktische Arbeit und den Aufbau eines dauerhaften Netzwerks mit Kommiliton*innen aus anderen Gewerken. Da die entstehenden Filme oder Arbeiten nicht mit dem Ziel einer externen Auswertung hergestellt werden, bieten die Workshops viel Raum zum freien Experimentieren und Lernen ohne Angst vor dem Scheitern.
Theaterinszenierung
Studiengänge: Regie, Schauspiel
Betreuer*innen: Prof. Andreas Kleinert (Regie), Prof. Florian Hertweck (Schauspiel)
Nach einer Einführung durch die Schauspiel- und Regiedozent*innen proben die Regiestudierenden über einen Monat regelmäßig mit den Schauspielstudierenden Szenen aus einem Theaterstück des 20. oder 21. Jahrhunderts, das sie sich selber ausgesucht haben. Möglichkeiten mit Kostüm- und Bühnenbild, Licht und Musik auf der Bühne zu arbeiten, werden angeregt und gelehrt. Am Ende gibt es eine öffentliche Theaterpremiere auf der großen Bühne und die Auswertungen mit den Dozierenden.
Bild unten: In Zusammenarbeit mit dem Regisseur João Pedro Prado inszenieren die Schauspieler*innen Emilie Neumeister, Henning Hermia Gerdes und Lennart Thomas das Theaterstück Was geschah, nach dem Nora ihren Mann verlassen hatte aus 1977 von der österreichischen Dramatikerin Elfriede Jelinek. Premiere am 10. Dezember 2021.
Masterwerkstatt
Studiengänge: Regie, Drehbuch, Produktion, Schauspiel, Cinematography, Montage
Betreuer*innen: Ulrike Vahl (Regie), Prof. Sophie Maintigneux (Cinematography)
Die studiengangübergreifende Werkstatt beschäftigt sich sowohl theoretisch, als auch praktisch mit der Entwicklung von Figuren und eines Konflikts und der visuellen Umsetzung einer Szene. Besonders wichtig ist hier auch die Zusammenarbeit der verschiedenen Gewerke. Wie entstehen glaubwürdige, wahrhaftige und einzigartige Figuren und wie lassen sich psychologische Entwicklungslinien in ihrer Differenziertheit auf den verschiedenen künstlerischen Ebenen abbilden und aufzeigen? Jedes Team entwickelt eine Szene aus den Figuren und ihren Konflikten heraus. Diese Szene wird dann mit ausreichend Zeit probiert, die Figuren genau gearbeitet, ein visuelles Konzept erstellt und an einer original Location gedreht. Das Material wird montiert und die fertigen Szenen ausgewertet.
Im Theorieteil werden Filmbeispiele gezeigt und die visuelle Auflösung und deren Wirkungsweise besprochen und nachvollzogen. Was bedeutet zum Beispiel Perspektive in der Bildsprache? Und welche visuelle Entscheidung führt zu welcher Wahrnehmung bein den Betrachtenden? Wie hängen Spiel und Bild zusammen? Die Lehrenden aus der Regie und Cinematography werden aus ihrer Erfahrung berichten und auf verschiedene Arbeitsweisen eingehen. Die praktische Umsetzung besteht aus der Stoffentwicklung, einen zusätzlichen Improvisationswerkstatt, einem Probenteil, zwei Drehtagen pro Team und eine Woche Montage.
This is (not) a lovesong
Studiengänge: Regie, Filmmusik, Cinematography, Montage, ggf. Creative Technologies
Betreuer*innen: Prof. Stefan Schwietert (Regie), Prof. Ulrich Reuter (Filmmusik)
Die Musik hat im Film meist die Aufgabe, eine vorhandene Filmerzählung zu komplementieren und zu bereichern. In dieser Werkstatt wird hingegen grundlegend die Wechselbeziehung von Film und Musik untersucht. Beiden Künsten gemeinsam ist ihre Anordnung entlang der Zeitachse oder wie Walter Ruttmann es formulierte: „der Malerei mit Zeit“: Strophe und Refrain, Höhepunkt und Kontrapunkt. Großaufnahme und Totale entsprechen Orchester und Solostimme. Beschleunigung, Entschleunigung und Pause erzeugen Rhythmus und Struktur.
In der Werkstatt erarbeiten die Studierenden kurze Filme (oder eine Filmszene), in denen die Musik eine eigenständige erzählerische Rolle spielt. Die Bild- und Tonebene werden parallel entwickelt. Für Töne werden Bilder gedreht, für Bilder werden Töne komponiert. Als Inspiration dienen Filmbeispiele aus der Filmgeschichte, in denen das Experiment im Vordergrund steht. Besonderes Augenmerk soll der Frage gewidmet werden, wie das Zusammenspiel von Musik und Film im 21. Jahrhundert weiter entwickelt werden kann. Für die Einspielung der Filmmusik steht den Studierenden das Deutsche Filmorchester Babelsberg zur Verfügung.
Hier geht’s zu einer Auswahl der Filme, die in den letzten Jahren in der Werkstatt entstanden sind.
Dokumentarische Montage
Studiengänge: Regie, Montage
Betreuer*innen: Prof. Gesa Marten (Montage)
Im Gegensatz zur Spielfilmmontage, die sich am Drehbuch orientiert und mit planvoll gedrehtem Material arbeitet, wird der Aufbau dokumentarischer Filme aufgrund des oft unvorhersehbar entstandenen Filmmaterials erst im Schneideraum entwickelt. Dramaturgische Überlegungen stehen deshalb bei der Montage solcher Filme an erster Stelle: Was ist eigentlich der Plot des Films? Wie kann ich durch die Montage nah am Plot bleiben? Was ist der Konflikt in der Geschichte, aus dem die Spannung rührt? Und wie kann ich durch die Montage den Konflikt aufbauen und die Spannung steigern? Wie mit dem vorhandenen Drehmaterial das erzählen, was geplant war? Oder: Inwiefern muss ich die Ursprungsidee modifizieren, um trotzdem einen guten Film herzustellen? Das Seminar gibt darüber hinaus Einblick in Arbeitsabläufe und Arbeitstechniken der Montage dokumentarischer Filme: Von der planmäßigen Aufbereitung großer Materialmengen für den Schnitt bis hin zu Hilfsmitteln dramaturgischer Strukturfindung werden Methoden aus der Praxis vorgestellt und erprobt.
Bild unten: Prof. Gesa Marten lehrt eine Methode, um die Dramaturgie eines dokumentarisch gedrehten Filmmaterials im Schnittraum neu zu gestalten.
16-mm Beobachtungsübung
Studiengänge: Regie, Cinematography, Editing
Betreuer*innen: Prof. Susanne Schüle, Ines Thomsen (Cinematography)
Als Training soll die Zusammenarbeit von Regie und Kamera bei dokumentarischen Beobachtungen mit begrenztem 16mm Filmmaterial geübt werden. Phantasiertes, Erdachtes und Erfundenes tritt dabei bewusst zurück hinter dem Vorgefundenen. Die Beobachtung entfaltet ihr Potential vor allem bei der Begleitung von Handlungsabläufen, ohne einzugreifen. Die Beobachtung eines Vorgangs soll ebenso zu einer Beschreibung des Ortes und des Menschen an diesem Ort führen. Das Ganze soll montierbar sein und am Ende als geschlossene Szene gebaut werden.
Liebesszenen
Studiengänge: Regie, Schauspiel, Cinematography, Montage
Betreuer*innen: Prof. Angelina Maccarone (Regie)
In Drehbüchern steht oft nur ein simpler Satz wie: „Sie lieben sich leidenschaftlich.“ Ihn umzusetzen ist eine der komplexesten filmischen Aufgaben überhaupt. Dieser Herausforderung, dem Inszenieren von Intimität und Körperlichkeit, widmen sich die Studierenden in diesem Seminar.
Liebesszenen fungieren innerhalb eines längeren Drehbuchs oftmals als Gradmesser für Beziehungen der Figuren zueinander, da sich in ihnen eine zwischen den Figuren aufgebaute Erwartung und Spannung einlöst oder sich daraus speist. Dabei ist die Art und Weise, wie dies geschieht und vermittelt wird, auch für die emotionale Identifikation der Zuschauer*innen von großer Bedeutung. Liebesszenen sind aufgeladen mit allen möglichen gegensätzlichen Gefühlen: Erregung und Abstoßung, Erwartung und Angst, Aufregung und Scham.
Der erste Teil des Seminars ist die Analyse von vorhandenen Beispielen in der Filmgeschichte und dem zeitgenössischen Kino; die Bandbreite reicht von Lubitschs verschlossener Tür bis zum dokumentarisch anmutenden Liebesakt. Die Bildsprache soll gemeinsam untersucht werden, um zu ergründen welche filmische Mittel verwendet werden, und um miteinander über deren jeweilige Wirkung ins Gespräch zu kommen: Was wird wie gezeigt? Was wird wie angedeutet, dass beim Betrachten ein bestimmtes inneres Bild entsteht? Was wird vorenthalten, um der Fantasie mehr Raum zu geben? Welches ist warum das Mittel der Wahl? Wie ist der Ort gestaltet? Das Licht? Und vieles mehr. Dazu werden auch einige Texte gemeinsam gelesen und diskutiert. Es ist essentiell, dass Studierende aktiv teilnehmen, um so eine gemeinsame Vertrauens- und Arbeitsbasis zu schaffen
Im zweiten Teil des Seminars geht es darum selbst nach Darstellungsformen intimer Momente zu suchen und im Zusammenspiel filmischer Elemente (wie Gestaltung des Raums, Kadrierung, Licht, Blickwinkel, Einstellungsgröße, Szenenlänge, Schnittfrequenz) und nicht zuletzt Schauspiel und Schauspielführung auszuprobieren. Dabei geht es weder um Wertung (Geheimnis versus Geständnis), noch um einen Wettstreit („besser, weiter, expliziter“), sondern um ein Ausloten der Grenzen und Möglichkeiten; der eigenen und die der anderen. Liebesszenen erfordern auch auf Regieseite den Mut, sich zu zeigen, anstatt sich hinter der Kamera oder dem Monitor zu verschanzen und die Schauspieler*innen in eine Situation zu schicken, wo sie sich in ihrer privaten Intimität entlarven sollen. Durch die Arbeit an eigenen Szenen (z. B. aus den geplanten Abschlussfilmen oder auch gemeinsam entwickelt mit Drehbuchautor*innen) exponieren sich die Regisseur*innen und eröffnen damit einen Vertrauensraum, der neben den Schauspieler*innen auch alle Mitarbeiter*innen einbezieht. Eine wesentliche Frage ist: Wie kann so ein geschützter Raum, der für eine Öffnung so grundlegend ist, überhaupt entstehen?
Es geht bei der Arbeit an Liebesszenen darum, emotionale Bögen herauszudestillieren und diese Emotionen in eine Choreographie der Körper zueinander und im Raum zu übersetzen; Bewegungsabläufe der Schauspieler*innen und der Kamera festzulegen. Der zentrale Punkt der Zusammenarbeit ist miteinander eine Sprache und Filmsprache zu finden jenseits der Scham (aber auch jenseits der Banalisierung). Der Credo hier lautet: Wahrhaftigkeit lässt die Scham hinter sich.
Wenn es gelingt, tritt an die Stelle der üblichen – auch visuellen und inszenatorischen – „Nummer-Sicher-Klischees“ dann das Ungewisse. Es gilt zu entscheiden, welches Geheimnis bewahrt gehört, um emotional etwas aufzubrechen; es gilt etwas Tastendes zuzulassen, das auch unbeholfen sein oder gar in Peinlichkeit münden darf, wenn es dazu angetan ist, die Verletzlichkeit der Charaktere bloßzulegen ohne sie zu denunzieren. Dabei ist es für alle Teilnehmenden unerlässlich, sich einerseits die eigenen Grenzen einzugestehen und sie zu kommunizieren und andererseits die Komfort-Zone zu verlassen und sich immer wieder der Unsicherheit auszusetzen. Hier bewahrheitet sich ein (weiteres) Paradoxon: Je größer der Mut zum Sich-Öffnen und Sich-Zeigen wird, desto weniger gerät das Gezeigte zur Nabelschau.
Diesen Unterschied zwischen entblößendem Zurschaustellen von Privatem und der künstlerischen Umsetzung von Persönlichem zu begreifen, ist für die Entwicklung einer unverwechselbaren Handschrift generell unerlässlich. Es geht in diesem Seminar nicht um die Vermittlung von Moral, sondern um ein Bewusstmachen von Verantwortlichkeit.
Werkstatt Situative Kamera
Studiengänge: Regie, Cinematography
Betreuer*innen: Prof. Stefan Schwietert (Regie), Prof. Susanne Schüle (Cinematography)
Eine besondere Herausforderung für Kamera und Regie ist das Erzählen von Ereignissen, auf deren Ablauf man keinen Einfluss hat. Vor allem im Dokumentarfilm kommt es immer wieder zu Situationen, wo das Team spontan auf unerwartete Vorgänge reagieren muss. In dieser Werkstatt sollen solche Situationen in der Praxis erprobt werden.
Wie können Kamera und Regie sich auf so einen Dreh optimal vorbereiten?
Wie erarbeiten sie vorab ein inhaltlich-ästhetischen Konzept?
Wie können während des Drehs ohne Zeitverlust und ohne viele Worte gemeinsame Entscheidungen getroffen werden?
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass auch für Regisseur*innen und Kameraleute mit Jahrzehnte langer Praxis, diese Aufgaben zu den größten Herausforderungen für die Zusammenarbeit der beiden Gewerke gehören.
Werkstatt Interventionen: Eingreifen, Arrangieren und Inszenieren im dokumentarischen Film
Studiengänge: Regie, Cinematography
Betreuer*innen: Prof. David Bernet (Regie), Prof. Susanne Schüle (Cinematography)
Es gibt unter Dokumentarfilm-Schaffenden kontroverse Debatten, die nie aufhören, weil sie sich um die inneren Widersprüche dessen drehen, was Dokumentarfilm im Kern ist: Eine Kunstform, die ihre Relevanz zu einem großen Teil aus ihrem Bezug zur Wirklichkeit bezieht.
Eine dieser Kontroversen dreht sich um die Legitimität von Interventionen: Wie und in welchem Umfang dürfen Dokfilmer*innen in ein Geschehen eingreifen? Was bedeutet es, ganze Filme interventionistisch zu konzipieren? Was ist der Unterschied zwischen erdachten Bildern und den Bildern der vorgefundenen Welt? Was ist der Wert des unumgänglichen Authentizitätsversprechens, das im Gegensatz zur künstlerischen Freiheit zu stehen scheint? Je genauer man sich auf diese Fragen einlässt, desto vielfältiger sind die Antworten. Und nahezu jeder Film scheint eine individuelle Lösung dafür zu haben – als Ergebnis intensiver Auseinandersetzungen von Dokumentarfilm-Teams mit ihrem Sujet.
Porträtwerkstatt
Studiengänge: Regie, Cinematography
Betreuer*innen: Prof. Angelina Maccarone (Regie), Prof. Susanne Schüle (Cinematography)
Gemeinsam wird sich dem PORTRÄT - diesem besonderen Subgenre des Dokumentarischen - angenähert. Was ist ein Porträt? Was sind die besonderen Möglichkeiten in der filmischen Porträtform? Was sind die Herausforderungen?
Es geht in dieser praktischeren Werkstatt um Offenheit, Neugier und Mut. Auch zum Unvollendeten. Dieser Ansatz soll mit einem Dreh verbunden werden. Das 5-8-minütige Material, welches innerhalb dieser einwöchigen Werkstatt in kleines Team entsteht, soll am letzten Tag gemeinsam ausgewertet werden, um von den Erfahrungen anderer zu lernen. Es geht nicht um die Fertigstellung eines Films, sondern um Skizzen, vielleicht gedacht als Ausschnitte aus einem (imaginierten) längeren Film, Rohdiamanten und Momentaufnahmen, die dazu anregen, das Porträt in seiner Vielseitigkeit kennenzulernen.