Werkstätten

Als Ergänzung zum theoretischen Unterricht des Kerncurriculums des Masterstudiengangs Regie werden in Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen der Filmuniversität eine Reihe von regelmäßigen, praktischen Werkstätten angeboten.
In diesen Blockseminaren geht es um die Schärfung des individuellen künstlerischen Profils, aber auch um ehrlichen Erfahrungsaustausch, praktische Arbeit und den Aufbau eines dauerhaften Netzwerks mit Kommiliton*innen aus anderen Gewerken. Da die entstehenden Filme oder Arbeiten nicht mit dem Ziel einer externen Auswertung hergestellt werden, bieten die Workshops viel Raum zum freien Experimentieren und Lernen ohne Angst vor dem Scheitern.

16 mm Werkstatt (DOK)

Betreuer*innen: Prof. Susanne Binninger, Prof. Susanne Schüle, Prof. Gesa Marten, Prof. Stephan Krumbiegel, Cosima Lange

In der interdisziplinären Master-Werkstatt mit den Studiengängen Cinematography, Film- und Fernsehproduktion, Montage und Regie entstehen dokumentarische Miniaturen in freier Form, gedreht auf 16 mm gedreht und digital montiert. Die Werkstatt bietet Raum für prozessorientierte Experimente und künstlerische Forschung; wir fordern ausdrücklich zu einer freien spielerischen Form auf und fördern die Grenzüberschreitung. Das Nonfiktionale als Gattung soll ausgelotet werden, bis an die Ränder und darüber hinaus. 

Doklabor: Immersive Documentaries (DOK)

Betreuer*innen:  Prof. Dr. Stockleben, Lena Thiele, Sönke Kirchhof, Christian Zipfel, Gayatri Parameswaran, Christian Möller, Evgeny Kalachikhin, Wojciech Olchowski

Der Kompaktkurs führt in die erzählerischen Möglichkeiten von 360° Film und Virtual Reality ein. Als case studies vorgestellt werden herausragende nonfiktionale 360°-Filme und VR-Produktionen, z.T. in Gesprächen mit den Autor*innen. Studierende erhalten eine Einführung in aktuelle  360°-Kameras von der Actioncam zur High-End Kamera, und erproben in Übungen die gestalterischen Möglichkeiten dieser Kameras in Kleingruppen. Es erfolgt eine gemeinsame Postproduktion ausgewählter Einstellungen in den Räumen des CX Studio. Am Ende sind die Studierenden in der Lage, das Potential des immersiven Erzählens für ihre eigene künstlerische Arbeit einzuschätzen und erste eigene Konzepte zu entwickeln.

Dokumentarische Montage

Studiengänge: Regie, Montage

Betreuer*innen: Prof. Gesa Marten (Montage)

Im Gegensatz zur Spielfilmmontage, die sich am Drehbuch orientiert und mit planvoll gedrehtem Material arbeitet, wird der Aufbau dokumentarischer Filme aufgrund des oft unvorhersehbar entstandenen Filmmaterials erst im Schneideraum entwickelt. Dramaturgische Überlegungen stehen deshalb bei der Montage solcher Filme an erster Stelle: Was ist eigentlich der Plot des Films? Wie kann ich durch die Montage nah am Plot bleiben? Was ist der Konflikt in der Geschichte, aus dem die Spannung rührt? Und wie kann ich durch die Montage den Konflikt aufbauen und die Spannung steigern? Wie mit dem vorhandenen Drehmaterial das erzählen, was geplant war? Oder: Inwiefern muss ich die Ursprungsidee modifizieren, um trotzdem einen guten Film herzustellen? Das Seminar gibt darüber hinaus Einblick in Arbeitsabläufe und Arbeitstechniken der Montage dokumentarischer Filme: Von der planmäßigen Aufbereitung großer Materialmengen für den Schnitt bis hin zu Hilfsmitteln dramaturgischer Strukturfindung werden Methoden aus der Praxis vorgestellt und erprobt.

 

Bild unten: Prof. Gesa Marten lehrt eine Methode, um die Dramaturgie eines dokumentarisch gedrehten Filmmaterials im Schnittraum neu zu gestalten.

DOKUMENTARISCHE MONTAGE © João Pedro Prado
DOKUMENTARISCHE MONTAGE © João Pedro Prado

Interventionen: Eingreifen, Arrangieren und Inszenieren im dokumentarischen Film (DOK)

Studiengänge: Regie, Cinematography

Betreuer*innen:  Prof. David Bernet (Regie), Prof. Susanne Schüle (Cinematography)

Es gibt unter Dokumentarfilm-Schaffenden kontroverse Debatten, die nie aufhören, weil sie sich um die inneren Widersprüche dessen drehen, was Dokumentarfilm im Kern ist: Eine Kunstform, die ihre Relevanz zu einem großen Teil aus ihrem Bezug zur Wirklichkeit bezieht. 

Eine dieser Kontroversen dreht sich um die Legitimität von Interventionen: Wie und in welchem Umfang dürfen Dokfilmer*innen in ein Geschehen eingreifen? Was bedeutet es, ganze Filme interventionistisch zu konzipieren? Was ist der Unterschied zwischen erdachten Bildern und den Bildern der vorgefundenen Welt? Was ist der Wert des unumgänglichen Authentizitätsversprechens, das im Gegensatz zur künstlerischen Freiheit zu stehen scheint?  Je genauer man sich auf diese Fragen einlässt, desto vielfältiger sind die Antworten. Und nahezu jeder Film scheint eine individuelle Lösung dafür zu haben – als Ergebnis intensiver Auseinandersetzungen von Dokumentarfilm-Teams mit ihrem Sujet.

 Liebesszenen

Studiengänge: Regie, Schauspiel, Cinematography, Montage

Betreuer*innen: Prof. Angelina Maccarone (Regie)

In Drehbüchern steht oft nur ein simpler Satz wie: „Sie lieben sich leidenschaftlich.“ Ihn umzusetzen ist eine der komplexesten filmischen Aufgaben überhaupt. Dieser Herausforderung, dem Inszenieren von Intimität und Körperlichkeit, widmen sich die Studierenden in diesem Seminar.

Liebesszenen fungieren innerhalb eines längeren Drehbuchs oftmals als Gradmesser für Beziehungen der Figuren zueinander, da sich in ihnen eine zwischen den Figuren aufgebaute Erwartung und Spannung einlöst oder sich daraus speist. Dabei ist die Art und Weise, wie dies geschieht und vermittelt wird, auch für die emotionale Identifikation der Zuschauer*innen von großer Bedeutung. Liebesszenen sind aufgeladen mit allen möglichen gegensätzlichen Gefühlen: Erregung und Abstoßung, Erwartung und Angst, Aufregung und Scham. 

Der erste Teil des Seminars ist die Analyse von vorhandenen Beispielen in der Filmgeschichte und dem zeitgenössischen Kino; die Bandbreite reicht von Lubitschs verschlossener Tür bis zum dokumentarisch anmutenden Liebesakt. Die Bildsprache soll gemeinsam untersucht werden, um zu ergründen welche filmische Mittel verwendet werden, und um miteinander über deren jeweilige Wirkung ins Gespräch zu kommen: Was wird wie gezeigt? Was wird wie angedeutet, dass beim Betrachten ein bestimmtes inneres Bild entsteht? Was wird vorenthalten, um der Fantasie mehr Raum zu geben? Welches ist warum das Mittel der Wahl? Wie ist der Ort gestaltet? Das Licht? Und vieles mehr. Dazu werden auch einige Texte gemeinsam gelesen und diskutiert. Es ist essentiell, dass Studierende aktiv teilnehmen, um so eine gemeinsame Vertrauens- und Arbeitsbasis zu schaffen

Im zweiten Teil des Seminars geht es darum selbst nach Darstellungsformen intimer Momente zu suchen und im Zusammenspiel filmischer Elemente (wie Gestaltung des Raums, Kadrierung, Licht, Blickwinkel, Einstellungsgröße, Szenenlänge, Schnittfrequenz) und nicht zuletzt Schauspiel und Schauspielführung auszuprobieren. Dabei geht es weder um Wertung (Geheimnis versus Geständnis), noch um einen Wettstreit („besser, weiter, expliziter“), sondern um ein Ausloten der Grenzen und Möglichkeiten; der eigenen und die der anderen. Liebesszenen erfordern auch auf Regieseite den Mut, sich zu zeigen, anstatt sich hinter der Kamera oder dem Monitor zu verschanzen und die Schauspieler*innen in eine Situation zu schicken, wo sie sich in ihrer privaten Intimität entlarven sollen. Durch die Arbeit an eigenen Szenen (z. B. aus den geplanten Abschlussfilmen oder auch gemeinsam entwickelt mit Drehbuchautor*innen) exponieren sich die Regisseur*innen und eröffnen damit einen Vertrauensraum, der neben den Schauspieler*innen auch alle Mitarbeiter*innen einbezieht. Eine wesentliche Frage ist: Wie kann so ein geschützter Raum, der für eine Öffnung so grundlegend ist, überhaupt entstehen? 

Es geht bei der Arbeit an Liebesszenen darum, emotionale Bögen herauszudestillieren und diese Emotionen in eine Choreographie der Körper zueinander und im Raum zu übersetzen; Bewegungsabläufe der Schauspieler*innen und der Kamera festzulegen. Der zentrale Punkt der Zusammenarbeit ist miteinander eine Sprache und Filmsprache zu finden jenseits der Scham (aber auch jenseits der Banalisierung). Der Credo hier lautet: Wahrhaftigkeit lässt die Scham hinter sich.

Wenn es gelingt, tritt an die Stelle der üblichen – auch visuellen und inszenatorischen – „Nummer-Sicher-Klischees“ dann das Ungewisse. Es gilt zu entscheiden, welches Geheimnis bewahrt gehört, um emotional etwas aufzubrechen; es gilt etwas Tastendes zuzulassen, das auch unbeholfen sein oder gar in Peinlichkeit münden darf, wenn es dazu angetan ist, die Verletzlichkeit der Charaktere bloßzulegen ohne sie zu denunzieren. Dabei ist es für alle Teilnehmenden unerlässlich, sich einerseits die eigenen Grenzen einzugestehen und sie zu kommunizieren und andererseits die Komfort-Zone zu verlassen und sich immer wieder der Unsicherheit auszusetzen. Hier bewahrheitet sich ein (weiteres) Paradoxon: Je größer der Mut zum Sich-Öffnen und Sich-Zeigen wird, desto weniger gerät das Gezeigte zur Nabelschau. 

Diesen Unterschied zwischen entblößendem Zurschaustellen von Privatem und der künstlerischen Umsetzung von Persönlichem zu begreifen, ist für die Entwicklung einer unverwechselbaren Handschrift generell unerlässlich. Es geht in diesem Seminar nicht um die Vermittlung von Moral, sondern um ein Bewusstmachen von Verantwortlichkeit.

Masterwerkstatt / fiktional (SPIELFILM)

Studiengänge: Regie, Drehbuch, Produktion, Schauspiel, Cinematography, Montage

Betreuer*innen: Ann-Kristin Reyels (Regie), Prof. Sophie Maintigneux (Cinematography)

Die studiengangübergreifende Werkstatt beschäftigt sich sowohl theoretisch, als auch praktisch mit der Entwicklung von Figuren und eines Konflikts und der visuellen Umsetzung einer Szene. Besonders wichtig ist hier auch die Zusammenarbeit der verschiedenen Gewerke. Wie entstehen glaubwürdige, wahrhaftige und einzigartige Figuren und wie lassen sich psychologische Entwicklungslinien in ihrer Differenziertheit auf den verschiedenen künstlerischen Ebenen abbilden und aufzeigen? Jedes Team entwickelt eine Szene aus den Figuren und ihren Konflikten heraus. Diese Szene wird dann mit ausreichend Zeit probiert, die Figuren genau gearbeitet, ein visuelles Konzept erstellt und an einer original Location gedreht. Das Material wird montiert und die fertigen Szenen ausgewertet.

Im Theorieteil werden Filmbeispiele gezeigt und die visuelle Auflösung und deren Wirkungsweise besprochen und nachvollzogen. Was bedeutet zum Beispiel Perspektive in der Bildsprache? Und welche visuelle Entscheidung führt zu welcher Wahrnehmung bein den Betrachtenden? Wie hängen Spiel und Bild zusammen? Die Lehrenden aus der Regie und Cinematography werden aus ihrer Erfahrung berichten und auf verschiedene Arbeitsweisen eingehen. Die praktische Umsetzung besteht aus der Stoffentwicklung, einen zusätzlichen Improvisationswerkstatt, einem Probenteil, zwei Drehtagen pro Team und eine Woche Montage.

Odra unplugged: interdisziplinäre experimentelle Filmwerkstatt (DOK)

Betreuer*innen: Prof. Susanne Schüle und Gäste

Im Studien- und Berufsalltag investieren wir viel Zeit für die Konzeption von Filmen. Die Kontrolle des gesamten filmischen Prozess ist für uns selbstverständlich geworden, auch im Dokumentarischen. Unser Sicherheitsdenken führt zu Wiederholungen und Angst behindert Experimente und ins Risiko hineinzuarbeiten. Diese Werkstatt verweigert sich dieser Haltung und erinnert an die Kraft des Experiments, des Zufalls, an das uncontrolled Cinema. Die Werkstatt bietet ein analoges physisches sinnliches Erlebnis mit Filmmaterial. Es entstehen verrückte, einzigartige Bildexperimente, die durch unkontrollierbare Zufälligkeiten, Störungen und haptische Spuren einen poetischen emotionalen Zugang zum dokumentarischen Material entstehen lassen. Weniger wird hier von der äußeren Realität erzählt als dass die Bilder ,die entstehen, traumhaft und poetisch sind.

Theaterinszenierung

Studiengänge: Regie, Schauspiel

Betreuer*innen: Prof. Andreas Kleinert (Regie), Prof. Florian Hertweck (Schauspiel)

Nach einer Einführung durch die Schauspiel- und Regiedozent*innen proben die Regiestudierenden über einen Monat regelmäßig mit den Schauspielstudierenden Szenen aus einem Theaterstück des 20. oder 21. Jahrhunderts, das sie sich selber ausgesucht haben. Möglichkeiten mit Kostüm- und Bühnenbild, Licht und Musik auf der Bühne zu arbeiten, werden angeregt und gelehrt. Am Ende gibt es eine öffentliche Theaterpremiere auf der großen Bühne und die Auswertungen mit den Dozierenden.

 

Bild unten: In Zusammenarbeit mit dem Regisseur João Pedro Prado inszenieren die Schauspieler*innen Emilie Neumeister, Henning Hermia Gerdes und Lennart Thomas das Theaterstück Was geschah, nach dem Nora ihren Mann verlassen hatte aus 1977 von der österreichischen Dramatikerin Elfriede Jelinek. Premiere am 10. Dezember 2021.

THEATERINSZENIERUNG © Carolin Hauke
THEATERINSZENIERUNG © Carolin Hauke